Volksstimme Halberstadt vom 19.07.2017
Einen Hilferuf des Kammermusikvereins hat die Bürgerstiftung Halberstadt erhört. Ein 113 Jahre alter Flügel der Marke Steinway & Sons, der im Ratssaal steht und für zwei Konzerte genutzt wird, muss repariert werden.
Von Jörg Endries
Halberstadt. Einen Schatz der Klavierbau-Kunst beherbergt das Halberstädter Rathaus. Einen Flügel des US-amerikanischen Traditionsunternehmens Steinway & Sons – sozusagen einen Mercedes unter den Flügeln. Besonders macht das Instrument auch sein Alter. Mit dem Bau wurde 1904 in den USA begonnen, 1905 ist es fertiggestellt worden. Alles dokumentiert mit einer Seriennummer. Obwohl vor einigen Jahren generalüberholt, bestand jetzt dringender Reparaturbedarf, betont Hartmut Wettges, Vorsitzender des Kammermusikvereins Halberstadt. Ein Hilferuf, den die Bürgerstiftung Halberstadt erhört hat und das Vorhaben finanziert.
800 Euro stellt die Bürgerstiftung Halberstadt dem Kammermusikverein für die FlügelReparatur zur Verfügung. „Die aufwendigen Arbeiten kann der Verein nicht aus der Porto-Kasse bezahlen. Wo Bürger sich in hohem Maße ehrenamtlich engagieren, dort helfen wir gern“, betont Dr. Michael Haase, Vorsitzender der Bürgerstiftung. Der 1969 vom bekannten Halberstädter Hans-Ulrich Sauer aus der Taufe gehobene Verein hat bis heute über 400 Konzerte organisiert. Halberstadt ist seitdem kein weißer Fleck mehr für die besten Solisten und Ensembles dieser Welt.
Hartmut Wettges, selbst Pianist: „Den Flügel zu spielen, war mittlerweile schweißtreibende Schwerstarbeit.“ Die Gewichte an den Klaviertasten, die dafür sorgen, dass die Tasten beim Spielen wieder in ihre Ausgangslage gebracht werden, waren zu schwer, erklärt Wettges. Nach seiner Einschätzung ist bei der Generalüberholung nicht sorgfältig gearbeitet worden. „Ich sag mal, dass waren Gesellen am Werk. Jetzt habe ich einen ‚Professor‘ gefunden, der den Missstand beseitigt“, sagt Wettges. Damit meint der Wernigeröder seinen Freund Lutz Reibeholz.
Der Berliner trägt zwar keinen Professoren-Titel. Dafür ist er ein waschechter Profi, wenn es um die Reparatur von Flügeln geht. Der heute 73-Jährige hat mit 15 Jahren Klavierbauer gelernt, später folgten noch der Klaviertechniker und -stimmer. 53 Jahre war er Mitarbeiter bei Steinway & Sons und Werkstattleiter in Berlin. „Von dort aus habe ich die Flügel unseres Unternehmens in den großen Konzerthäusern der Welt betreut. Gab es Probleme vor dem Auftritt eines Star-Pianisten, wurde ich geholt“, berichtet Lutz Reibeholz im Volksstimme-Gespräch.
Insgesamt 88 Klavier-Tasten musste der Fachmann am Steinway in Halberstadt wieder auf das richtige Gewicht bringen. „55 Gramm hat eine Bass-Taste, 52 Gramm eine Übergangstaste, 50 Gramm der Rest.“ Jede einzelne musste ausgebaut, sorgsam ausgemessen und mit neuen Gewichten bestückt und wieder eingebaut werden. „Einmal richtig gemacht, gibt es keine Probleme mehr“, so Lutz Reibeholz. Zwei Wochen hat er dafür benötigt.
Wie kommt der Steinway-Flügel ins Rathaus Halberstadt? 1998 haben die Stadt Halberstadt und die Halberstadtwerke das Instrument für 50 000 D-Mark in Köln erworben, informiert Hartmut Wettges auf Volksstimme-Nachfrage. Neue Flügel der amerikanischen Traditionsmarke mit Wurzeln im Harz (Firmengründer Henry E. Steinway wurde 1797 als Heinrich Engelhard Steinweg in Wolfshagen im Harz geboren) kosten 130.000 Euro. 2016 haben sich Kammermusikverein und Stadt vertraglich über die Nutzung des Instruments geeinigt. Die Stadt ist Eigentümerin, der Verein nutzt den Flügel und ist für Reparaturen verantwortlich. Dafür erlässt die Kommune dem Verein die Saalmiete in Höhe von 180 Euro.