Volksstimme vom 03.11.2015
Stunde der Musik im Ratssaal gut besucht: Als man vor sechs Jahren in Leipzig den 80. Geburtstag des Pianisten und Pädagogen Günter Kootz feierte, widmeten Freunde, Weggefährten, Kollegen und ehemalige Schüler ihm einen Konzertabend an seiner langjährigen Wirkungsstätte, der Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn-Bartholdy“.
von Hans-Ulrich Sauer
Prof. Kootz gehört zur älteren Generation von Pianisten aus der DDR, zu der auch Dieter Zechlin, Amadeus Webersinke, Annerose Schmidt, Siegfried Stöckigt gehören und die manchem Zuhörer im Gedächtnis geblieben sind. Den Halberstädtern ist er durch zahlreiche Auftritte als Solist der Sinfonie-Konzerte unter Leitung Hans Auenmüllers zum Begriff geworden. Ich erinnere mich noch an die schönen Wiedergaben des Klavierkonzertes in a-Moll von Robert Schumann und des Beethovenschen 4. Klavierkonzertes in G-Dur. Neben der hohen Musikalität und dem technischen Können wusste der Dirigent die Zuverlässigkeit von Günter Kootz zu schätzen.
Gedanklich führt mich der jüngste Auftritt des inzwischen 90-jährigen Pianisten zu jenem Konzert des 90-jährigen Wladimir Horowitz, dessen Spiel die Musikwelt damals in Atem hielt. Ja, der Vergleich ist es, welcher den Maßstab setzt. Er erweckt in uns den Unterschied von Groß und Klein, von Besonderem und Normalem.
Günther Kootz zeigte bei der Darbietung der „Pathétique“ eine ausgewogene Leistung. Die Exposition vollständig wiederholend, erklang der erste Satz unter Herausarbeitung der Gegensätze; dabei die Dialoge in Ausgewogenheit haltend. Im gesangvollen zweiten Satz hob Kootz das Thema sehr schön hervor, den Mittelteil in einem gesteigerten Gegensatz setzend, bot er hier die erwartete Leistung mit dem einprägsamen Rondo als Abschluss.
Bei der „Waldsteinsonate“ gelang es Günther Kootz nicht, im ersten Satz die Spannung aufzubauen, die sie am Ziel, sprich am Satzende, hätte haben müssen. Der rezitativisch geprägte langsame zweite Satz verfügt über eine Charismatik, wie sie in nachfolgenden Kompositionen Beethovens so nie wieder vorkommt. Das vom Komponisten verlangte Pianissimo reflektiert innerhalb der unterschiedlichen Akkorde den Übergang in den Schlusssatz, quasi eine Metamorphose, welche im zartesten Pianissimo die Entstehung und Geburt des zauberhaften Schlussthemas hervortreten lässt. Dieser Abschnitt gelang dem Pianisten hervorragend, und er bildete für mich den Höhepunkt des gesamten Abends. Der Schlusssatz ist das umfangreichste aller Beethovenschen Klaviersonaten-Finali. Das Thema nimmt eine strahlende Entwicklung und erscheint in unendlicher Fülle, wobei die Größe des Satzes fast sinfonische Züge annimmt. Letzteres ließ die Kraft des Künstlers nicht zu.
Die nach der Pause folgende, liebenswerte zweisätzige Fis-Dur-Sonate op. 78 widmete Beethoven Therese von Brunsvik. Beethoven selbst liebte diese Komposition sehr und spielte sie häufig. In ihrer Lyrik spricht sie die Zuhörer besonders durch das sehr einprägsame Eingangsthema des ersten Satzes an.
Den Schlusspunkt im Programm bildete an diesem Abend die „Apassionata“ („Leidenschaftliche“). War der Beginn mit seinem in die Tiefe hinabsteigenden f-Moll-Thema in seinem Ernst gut getroffen, die Exposition insgesamt in ihrem Widerspruch ausgebreitet, so fehlte doch die große Gestaltung der Gegensätze. Im Finale zeigte sich ähnlich wie zuvor in der Waldsteinsonate die fehlende gestalterische Kraft.
In Anerkennung seines Lebenswerken erhob sich das Publikum im Halberstädter Rathaussaal zu Standing Ovations, wofür sich Günther Kootz mit einem Scherzo aus der D-Dur-Sonate op. 28 von Beethoven bedankte.