Halberstädter Kammermusikverein begeistert mit der „Stunde der Musik“ / Dresdner Meisterpianist Peter Rösel zu Gast: Mit einem Konzerterlebnis allerersten Ranges startete am Sonntag der Halberstädter Kammermusikverein in seine 46. Saison der „Stunde der Musik“. Der weltberühmte Dresdener Meisterpianist Peter Rösel, Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste, spielte Brahms, Schumann und Schubert.
Von Hans Walter
Vom ersten Takt an zog der Grandseigneur des Klaviers seine Zuhörer im fast ausverkauften Rathaussaal in einen geradezu magischen Bann. Hier vollzog sich in vielerlei Richtung eine Zwiesprache: zwischen dem Solisten und dem Publikum. Mit Vita und Lebensumständen der drei Romantiker. Zwischen dem Kopf und der rechten und der linken Hand des Tastenmagiers. Zu erleben war höchst beglückende Musik, die immer auch die Momente ihrer Entstehungszeit erahnen ließ.
Wie in den drei Intermezzi Opus 117 von Johannes Brahms, entstanden 1892. Es sind Spätwerke; „Wiegenlieder meiner Schmerzen“ meinte der Komponist einmal über die drei Stücke. Sie stehen in Es-Dur, b-Moll und cis-Moll; das erste und das zweite Intermezzo weisen die klassische Liedform mit dem Kompositionsschema A-B-A auf, Rösel musizierte den minimalistischen Brahms mit großer Hochachtung, mit Ruhe und Nachdenklichkeit. Wie lang vertraute Lieder. Ganz innig, intensiv und schön.
Robert Schumanns Humoreske B-Dur opus 20 entstand 1839. Wie in einer lebendig-farbigen Bilderfolge stellt er unterschiedlichste Stimmungen und Formelemente nebeneinander. Die sieben Abschnitte der Humoreske fließen ineinander mit Satzbezeichnungen wie „Einfach. Sehr rasch und leicht“, „Hastig. Nach und nach immer lebhafter und stärker“ oder „Mit einigem Pomp“. An seine Braut Clara schrieb er: „Die ganze Woche saß ich am Klavier und schrieb und lachte und weinte durcheinander ...“ Lachen unter Tränen und weinen mit Hoffnung – Peter Rösel traf genau diese melancholisch differenzierte Stimmung, die aus motivischen Verknüpfungen erwächst.
Zum krönenden Abschluss dann von Franz Schubert die viersätzige Klaviersonate A-Dur, Deutsch-Verzeichnis 959, geschrieben in seinem Todesjahr 1828. Ein leidenschaftlich-lebensvolles Werk mit dunklen Tönen ohne Sentimentalität. Rösel spielte ungeheuer gelöst. So, als stände er neben der Komposition und ließe ganz einfach die Klänge aus den Fingern in den Flügel fließen. Eine Komposition der Überraschungen im langsamen zweiten Satz. Mit Extra-Herzschlägen, mit Stocken voll möglicher Todesahnungen. Schubert war unheilbar erkrankt, und er 60-jährige Rösel ließ mit seiner Interpretation dessen Endlichkeit erahnen. Tosender Applaus am Ende und zwei träumerische Zugaben.
Ein großer Abend, dem am 19. Oktober ein weiterer Höhepunkt folgt: Ein Festkonzert mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Kammermusikvereins an den Leipziger Gewandhaus-Solocellisten Jürnjakob Timm.