Die Konzertsaison des 45-jährigen Halberstädter Kammermusikvereins wurde mit dem 7. Konzert am 13. April im Rathaus würdevoll beendet. Und zwar mit einem Klavierduo von internationalem Format, ehe der Verein am 14. September die neue Saison mit dem fantastischen Pianisten Peter Rösel startet.
Von Hartmut Wettges
Um es vorweg zu nehmen: Diesen tollen Abend hatten die Organisatoren so nicht erwartet. Technische Brillanz und musikalischer Ausdruck waren eine Einheit und hinterließen bei den Zuhörern einen starken Eindruck. Das werden die Hörer sicher allen Konzertgängern berichten, die diesen Abend möglicherweise anderweitig verplant hatten.
Die Eingangs gespielten 8 Variationen über ein eigenes Thema in As-Dur D 813 op.35 von Franz Schubert bestätigten, dass das Miteinander der beiden Interpreten uns ein kongeniales Gefühl vermittelt hat. Die Interpretation war in sich stimmig, und sie haben Schubert gleichsam in sich aufgenommen. Somit stehen beide Pianisten gleichberechtigt in der Reihe berühmter Interpreten dieses Werkes, wie z.B. Sviatoslav Richter mit Benjamin Britten.
Die folgende f-Moll Fantasie D 940 op.103, die Schubert 1828 kurz vor seinem Tode schrieb, wird von großen musikalischen Empfindungen geprägt. Und genau diese haben unsere Interpreten zur Wirkung gebracht. Schuberts Todes – aber auch Hoffnungsgedanken kamen in der Interpretation sehr wohl zum Ausdruck. Unstrittig im f-Moll des 1. Themas zu hören, das nicht zu schnell gespielt wurde, sondern „molto moderato“.
Eine ganz andere klangliche Welt erwartete die Hörer bei Ravel's „Ma mere l'oye“ (Meine Mutter, die Gans), nach einer Märchensammlung gleichen Namens von Charles Perrault. Auch wenn man auf Grund des Titels der Komposition annehmen könnte, Ravel hätte das Märchen von der Gans der Sammlung entnommen und vertont; dem ist nicht so. Ravel hat die 5 Teile seiner Komposition auf die „Prinzessin Floriante“, den „kleinen Däumling“, die „Kaiserin der Pagoden“, „die Schöne und das Tier“ sowie auf den „Feengarten“ bezogen.
Es hätte keiner Einführung bedurft, so plastisch haben die beiden Solisten Ravel's Komposition geschildert. Auch das Sammeln der Körner durch die Vögel im „kleinen Däumling“ war deutlich zu hören. Für uns Zuhörer eine wunderbare und interessante Begegnung mit diesem Werk Ravel's.
Der Höhepunkt des Abends war ohne Zweifel „Le sacre du printemps“ (Frühlingsopfer) von Igor Strawinsky in der von ihm angefertigten vierhändigen Klavierfassung. Es bedurfte schon vor der Uraufführung 1913 zweier „ausgewachsener“ Pianisten, um das Werk zu den Proben des Djagilew-Ballett's im Ballettsaal musikalisch überhaupt darstellen zu können. Takahashi und Lehmann haben das brillant gelöst. Die komplizierten Taktwechsel und Tempowechsel waren von bestechender Genauigkeit und kein Orchester hätte diese präziser interpretieren können. Der enorme Schwierigkeitsgrad vom „Sacre“ insgesamt, welcher Interpret sich auch immer mit diesem Werk befasst, ob Dirigent, Orchester oder Pianist, ist an diesem Konzertabend von den beiden Pianisten grandios bewältigt worden.